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Tobias Altripp Trio – We Bring Some Horns - Inlay

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Artwork/Booklet

Die deutsche Sängerin Franziska Loos legt mit „Generation Anything“, ihrem ersten Album als Leaderin, ein beeindruckendes Debüt vor. Generation Anything“, das am 16.9.2022 auf dem deutschen Label Mons Records veröffentlicht wird, ist eine Sammlung von sieben Originalsongs, fünf davon komponiert von Loos selbst. Die Arrangements wurden von Franziska und dem Saxophonisten Vincent Dombrowski gemeinsam geschrieben. Begleitet wird Loos auf dem Album von einer achtköpfigen Band, bestehend aus einer Rhythmusgruppe mit Bass, Schlagzeug und Vibraphon sowie einer fünfköpfigen Bläserformation mit zwei Saxophonen, zwei Trompeten und Posaune.

Stilistisch ist das Album fest in der Tradition des modernen Jazz verwurzelt, kanalisiert jedoch auf höchst kreative Weise Einflüsse aus vielen Genres, die zu etwas Originellem zusammenfließen. Aus lyrischer Sicht gibt es keinen Zweifel daran, dass das Material auf dem Album einen starken sozialen Kommentar enthält, doch im Gegensatz zu vielen Alben, die diesen Raum für sich beanspruchen, lässt Franziska keine offenen Fragen bei der Umsetzung ihrer Gedanken. Die Texte sind düster, poetisch, schneidend, ergreifend, direkt und doch ist die Botschaft in keiner Weise negativ. Zu den Kompositionen erklärt Franziska: „Ich weiß, dass die Texte ein bisschen auf die 12 sind. Ich meine, wenn man sich das meiste Standardrepertoire anschaut, geht es um Liebe, Vögel, Blumen und Ladida, aber das ist nicht das, worüber ich singen wollte, das habe ich im Studium genug besungen. Ich möchte über Dinge sprechen, die heute relevant sind, ich weiß, dass das nicht jedermanns Sache ist, aber das bin ich.“

Das Album beginnt mit „Rush“, einem Song, der die Frage stellt: „Warum solltest du dich überhaupt beeilen, wenn sowieso niemand auf dich wartet?“ Das Stück basiert auf einem Hip-Hop-Groove mit einem spärlichen, aber höchst effektiven Bläserarrangement, das sich öffnet und Christopher Olesch Raum für ein fesselndes Vibraphon-Solo bietet. Genauso interessant ist das Posaunensolo von Ken Dombrowski. Die gesangliche Darbietung in diesem Stück lässt den Hörer wissen, dass er nicht einfach nur eine weitere Vokalistin hört, sondern etwas Neues und ganz Besonderes.

Das folgende Stück ist mit nur ein paar Sekunden über zwei Minuten das kürzeste Stück des Albums, aber möglicherweise eines der einprägsamsten. Der Titel „Sad Excuse“ (Traurige Ausrede) bedarf kaum einer Erklärung, was sich hinter diesem Stück verbirgt. Das Lied ist minimal instrumentiert, mit einem einzigen Motiv, das auf der Bassklarinette gespielt wird, subtilen harmonischen Inhalten vom Vibraphon und unterbrochen von effektiven Perkussionsschlägen. Franziska erklärt, dass der Song eine Botschaft an „…mittelmäßige Personen in Entscheidungspositionen“ ist. Mit einigen konkreten Anspielungen im Text wird klar, welche „traurige Ausrede für einen Menschen“ sie meint. Loos fährt fort: „… Zu der Zeit, als ich das schrieb, war er noch im Amt, aber es gibt immer noch viele Staatsoberhäupter auf der Welt, auf die das zutrifft, und die immer noch an der Macht sind“. Oft sind Songs mit einer politischen Botschaft kryptisch, aber hier gibt es nichts davon, Franziska ist brutal und klar und nimmt kein Blatt vor den Mund.

Der Song „Wondering“ ist ein R&B- und Soul-inspirierter Track mit einem großartigen Groove, der vor Energie nur so strotzt, ohne Zweifel eines der Highlights des Albums. Loos‘ Gesangsleistung ist stark und sie schafft es all die verschiedenen Elemente des Tracks auf spektakuläre Weise miteinander zu verbinden. Besonders hervorzuheben ist das Solo von Vincent Dombrowski, das die Geister von Ornette Coleman und Albert Ayler heraufbeschwört und von Lukas Schwegmann mit einem Schlagzeug-Groove unterlegt wird. Franziska beschreibt das folgende Stück „This Time“ als einen „aufmunternde Latin-Jazz-Track“. Dieses Stück ist vielleicht eines der kommerzielleren auf dem Album, auf dem Trompeter Ruven Weithoener ein außergewöhnlich gut ausgearbeitetes Solo liefert. Doch wieder einmal ist es Loos‘ Gesangsdarbietung, die mit ihrem technisches Können und ihrem Fingerspitzengefühl hervorsticht.

Franziska erwähnte, dass das Album einen Song über die Liebe enthält, erklärt aber schnell dass er von einer gescheiterte Beziehung handelt und beschrieb ihn als einen „odd-meter Trennungssong“. Obwohl der Song in einem ungraden Takt geschrieben ist, groovt er und dringt doch unverblümt in den Bereich der Avantgarde vor. Wieder einmal liefert Loos eine stimmliche Leistung ab, die einen selten gehörten Sinn für reine Intonation zeigt. Besonders hervorzuheben ist das Bariton-Solo von Yannick Glettenberg, das die ganze Bandbreite des Instruments demonstriert.

Das Titelstück „Generation Anything“ wird von Loos als „sozialkritische Jazzballade“ beschrieben. Mit einem erzählerischen Gesang weist Franziska auf eine privilegierte Generation hin, die „… darum kämpft für etwas kämpfen zu können, für das es sich zu kämpfen lohnt“. Franziska erklärt: „Ich bin Teil einer Generation, der alle Möglichkeiten und Türen geöffnet wurden, aber nur wenige haben dieses Privileg genutzt, um die wirklich wichtigen Probleme der Welt anzugehen. Um ehrlich zu sein, hatte ich die Nase voll und wollte das Thema ansprechen.“ Dieser Track ist langsam, fast schmerzhaft langsam, aber das erhöht die Spannung. Christopher Olesch erweitert dies durch den zusätzlichen Einsatz des Fender Rhodes zum Vibraphon und erzeugt dadurch eine subtile Sättigung, die bis hin zu völliger Verzerrung reicht.

Der letzte Track des Albums „Insecure Highachiever“ ist, wie Franziska sagt, „… ein Kommentar zur Unternehmenskultur und deren Auswirkungen auf die Mitarbeiter“. Dieser Track kommt einem Popsong auf diesem Album noch am nächsten und schließt das Album buchstäblich mit einer hohen Note ab!

Mit ihrer großen stimmlichen Bandbreite, ihrem Gespür für Timing und ihrer umwerfenden Intonation hat Franziska Loos auf diesem Album bewiesen, dass sie bereits jetzt eine Größe ist, mit der man rechnen muss. Die Veröffentlichung dieses Albums wird dies hoffentlich auch dem Rest von uns klar machen.